Transplantationsmedizin Lebendorganspende: Zurück auf Los?

(18.10.2021) Während Lebendspenden in vielen Ländern Europas mit Austauschprogrammen gefördert werden können, steht das restriktive deutsche Gesetz dem entgegen. Für die Transplantationsmedizin wird dies zunehmend ein Spagat.

Circa 95.000 Menschen in Deutschland benötigen eine regelmäßige Hämodialyse und 7338 standen Ende 2020 auf der aktiven Warteliste für eine Niere. Schon ein Jahr nach Transplantation beginnt sich die durchschnittliche Lebenserwartung der Nierenempfänger im Vergleich zu Patienten an der Dialyse sukzessiv zu erhöhen.

„Mit circa acht, häufig auch zehn Jahren ist die Wartezeit auf eine postmortale Niere in Deutschland viel zu lang“, sagte Professor Bernhard Banas vom Universitätsklinikum Regensburg bei der 30. Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG).

„Je älter Patienten auf der Warteliste für eine Niere sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Transplantation noch erleben“, so Banas. Ab einem Alter von Mitte 50 ist die Lebenserwartung an der Dialyse niedriger als die durchschnittliche Wartezeit in Deutschland. Mit einer neuen Niere wäre die Lebenserwartung doppelt so lang.

Nachdem 2018 die Zahl der postmortal gespendeten Organe erstmals nach vielen Jahren gestiegen war, nämlich auf 3113 Organe, sank sie in den beiden darauffolgenden Jahren wieder ab. Im letzten Jahr wurden 2941 Organe postmortal entnommen. Und auch bei den lebend gespendeten Organen – es sind vor allem Nieren – gibt es einen Rückgang: von 638 Nierenlebendspenden im Jahr 2018 auf 450 in 2020.

Um die Warteliste zu entlasten, wäre es wünschenswert, wenn der gesetzliche Rahmen sowohl für die postmortale Organspende erweitert würde, als auch für die Lebendspende, zum Beispiel mit Überkreuz-, Ketten- und Poollebendspenden, hieß es aus dem Vorstand der DTG bei der Jahrestagung.

Danach aber sieht es derzeit in Deutschland nicht aus. Das Transplantationsgesetz gibt der postmortalen Organspende klar Vorrang vor der Lebendspende (Subsidiaritätsprinzip). „Das Gesetz ist so formuliert, dass eine Lebendspende möglichst nicht erfolgt“, meint Banas. „Möglicherweise gehen die Zahlen der Lebendspenden deshalb zurück, weil sich die Ärzte unwohl fühlen.“

Auf europäischer Ebene dagegen fördert die EU das European Network for Collaboration on Kidney Exchange Programmes (ENCKEP). Darüber tauschen derzeit zehn Länder im Rahmen ihrer nationalen Gesetze Nieren aus, die durch Lebendspenden initiiert werden. Die ungerichtete Lebendorganspende ist in Deutschland gesetzlich verboten. Spender und Empfänger müssen sich „in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen“ (Paragraf 8 Transplantationsgesetz).

Zusätzlich hat ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom vorvergangenen Jahr Irritationen in der Transplantationsmedizin ausgelöst, so Banas. Darin heißt es, die vom Gesetzgeber „bewusst streng formulierten und gesondert strafbewehrten Aufklärungsvorgaben“ sollten den potenziellen Organspender davor schützen, sich selbst einen größeren persönlichen Schaden zuzufügen. Sie dienten dem „Schutz des Spenders vor sich selbst“ (Az: VI ZR 495/16; VI ZR 318/17).

„Die Aufklärung über Risiken für den Spender ist umfangreich und komplex. Wünschenswert wäre eine Musteraufklärung, aber die gibt es in Deutschland nicht“, sagt Professor Claudia Sommerer von der Abteilung Nephrologie am Zentrum für Innere Medizin der Universität Heidelberg. Die Musteraufklärung für die Lebendorganspende sei ein „heißes Eisen“, meint Banas, „da traute sich bisher keiner ‚ran.“

Den gesamten Artikel finden Sie hier:
Quelle: Dr. Nicola Siegmund-Schultze, Ärztezeitung 

Wer informiert über Lebend-Organspende?

Selbsthilfe Lebend-Organspende Deutschlands e. V. (SLOD)

Essenheimer Str. 126

55128 Mainz

http://slod-ev.de/

 

Das zweite Leben – Nierenlebendspende e.V.

vertreten durch:

Brunhilde Ernst

Bahnhofstraße 14a

14641 Paulinenaue

http://www.das-zweite-leben.de/

 

Stiftung Lebendspende

Ismaninger Str. 22

81675 München
http://www.stiftung-lebendspende.de/

 

Allgemeinverständliche Informationen zur Lebendnierenspende bietet:
https://www.transplantation-verstehen.de/organe/niere/lebendspende-oder-postmortale-spende
https://www.organspende-info.de/lebendorganspende.html

Deutsches Lebendspenderegister

(2019) In Münster entsteht unter Federführung der Medizinischen Fakultät der Universität Münster das erste systematische deutsche Lebendspenderegister "Safety of Living Kidney Donor - German National Register (SOLKID-GNR)" zur Erforschung der Nierenlebendspende. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt mit insgesamt 2,2 Millionen Euro für 5 Jahre. Die Projektleitung hat Prof. Dr. Barbara Suwelack, Sektion Transplantationsnephrologie der Medizinischen Klinik D am Universitätsklinikum Münster inne. (Quelle: Diatra Journal 2/2019)
Weitere Informationen sind auf der Internetseite der Uni Münster erhältlich

Die versicherungsrechtliche Absicherung von Lebend-Organspendern

Generell kann man sagen: Solange es keine Komplikationen beim Lebendspender gibt, ist alles einigermaßen geregelt. Kommt es jedoch zu Früh- oder Spätkomplikationen, wird es für den Lebendspender schwierig, weil dann sein Schutz nur völlig unzureichend geregelt ist.
Zunächst sollte man sich im Klaren sein, welche Kosten bei einer Lebendspende anfallen und anfallen können.

Kosten für ärztliche Leistungen und gutachterliche Stellungnahmen
Die gesetzliche Krankenversicherung des Empfängers übernimmt die Kosten sämtlicher Voruntersuchungen des potentiellen Lebend-Organspenders zur Prüfung der medizinischen und sonstigen im Transplantationsgesetz (TPG) geregelten Voraussetzungen der Lebendspende, wie zum Beispiel die Kosten für die gutachterliche Stellungnahme (Ethikkommission). Diese werden auch dann getragen, wenn es später zu keiner Organspende kommt. Auch die Nachbetreuungskosten werden als „nachwirkende Leistungspflicht“ von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Als Organspender sind Sie grundsätzlich von Zuzahlungen wie z. B. der Praxisgebühren befreit bzw. bekommen diese erstattet. (Problemlos gilt das jedoch nur in Vorbereitung auf die Lebendspende, nicht danach!)

Fahrtkosten
Fahrtkosten entstehen bei der Wahrnehmung der notwendigen Voruntersuchungen, bei der Vorstellung vor der Ethikkommission, zur stationären Aufnahme und Entlassung bei der eigentlichen Organentnahme und bei Nachuntersuchungen im Transplantationszentrum, zu denen Sie laut TPG verpflichtet sind. Das sind die Fahrtkosten, die leicht zu kalkulieren sind. Weiterhin können Fahrtkosten zusätzlich anfallen, wenn Sie auf Grund von Komplikationen weiter ambulant oder stationär behandelt werden müssen. Wer übernimmt? Von der gesetzlichen Krankenkasse erhalten Sie die Fahrtkosten ersetzt, die Ihnen zur Wahrnehmung der Voruntersuchungen, der eigentlichen Organspende und der Nachbetreuung entstehen. Diese Fahrten werden als Teilmaßnahme bzw. Nebenleistung der für den Organempfänger erforderlichen Krankenbehandlung angesehen. Deshalb werden die Fahrtkosten von der gesetzlichen Krankenversicherung des Organempfängers vollständig übernommen. Fahrtkosten werden von der gesetzlichen Krankenkasse allerdings nur erstattet, wenn sie ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Dies kann dazu führen, dass zwar die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, nicht jedoch eine Fahrt mit dem Taxi bezahlt werden kann. Fahrten mit privaten PKW werden mit einer Kilometerpauschale erstattet.
In der Praxis gibt es hier aber immer wieder Schwierigkeiten. Deshalb muss man empfehlen, sich vor der Lebendspende eine schriftliche Kostenzusage für die Fahrtkosten bei der Krankenkasse des Empfängers einzuholen.
Ein weiteres Problem: Sollte es zu Komplikationen nach der Entlassung kommen, wird es der Lebendspender unter Umständen schwer haben, einen kausalen Zusammenhang zwischen der Lebendspende und der Komplikation nachzuweisen. Kann er das nicht, und die Krankenkasse zweifelt diesen Zusammenhang an, werden die Fahrtkosten nur nach den allgemeinen Vorschriften von der eigenen Krankenkasse erstattet. Das bedeutet, es fällt die gesetzliche Zuzahlung in voller Höhe an und Fahrten zur ambulanten Behandlung/Untersuchung werden nicht erstattet.

Verdienstausfall
Für die Zeit der Voruntersuchungen, bei der Ethikkommission, in der Zeit im Krankenhaus zur eigentlichen Lebendspende, bei der ambulanten Nachbetreuung und bei notwendigen ambulanten oder stationären Behandlungen auf Grund von Komplikationen kann ein Verdienstausfall entstehen. Wer übernimmt? Eine Erstattung des Verdienstausfalls, der im Zusammenhang mit der Lebendspende entsteht, ist nicht gesetzlich geregelt. Nach der Rechtsprechung muss allerdings der dem Spender infolge der Organentnahme entstandene Verdienstausfall von der gesetzlichen Kranken-versicherung des Empfängers ersetzt werden. Eine Erstattung erfolgt dabei in Höhe des nachgewiesenen ausgefallenen Nettoentgelts. Begrenzungen werden nicht vorgenommen. Die Erstattung ist auch unabhängig davon, ob Sie Arbeitnehmer oder Selbstständiger sind. Auch hier ist dringend zu empfehlen, Einzelheiten mit der Krankenkasse vorab zu klären. Dazu gehört z. B. die Form des Nachweises eines Verdienstausfalls bei Selbstständigen ebenso wie für die Frage, ob auch der Verdienstausfall im Zusammenhang mit Voruntersuchungen und der vom Gesetz vorgeschriebenen Nachsorge gezahlt wird. Klären Sie zudem ab, wie sich die durch die Lebendspende bedingten Fehlzeiten, für die Sie einen Verdienstausfall erleiden, auf Ihren Sozialversicherungsschutz auswirken. Insbesondere ist wichtig, ob die gesetzliche Krankenkasse des Empfängers Ihnen in diesem Zeitraum Ihre Sozialversicherungsbeiträge (gesetzliche Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) bezahlt. Besteht kein Anspruch auf Arbeitsentgelt, so gilt ein dennoch fortdauerndes Beschäftigungsverhältnis sozialversicherungsrechtlich nur bis zu einem Monat als fortbestehend. Wird also länger als einen Monat kein Arbeitsentgelt gezahlt und erfolgt auch keine anderweitige Beitragszahlung, kann Ihr Sozialversicherungsschutz je nach Versicherungsart beeinträchtigt werden oder erlöschen! Eventuell besteht die Möglichkeit, die Beitragszahlung freiwillig fortzusetzen, allerdings ist dies grundsätzlich nur in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie in der Rentenversicherung möglich, nicht jedoch bei der Arbeitslosenversicherung.
Ein Rückstand bei der Beitragszahlung zur gesetzlichen Krankenversicherung kann zum Ruhen des eigenen Versicherungsschutzes führen. In diesen Fällen übernimmt die Krankenversicherung nur noch Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei der Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich werden. In der Pflegeversicherung könnten Unterbrechungen im Versicherungsverlauf dazu führen, dass die für einen Leistungsanspruch erforderlichen Vorversicherungszeiten nicht erreicht werden.
Fehlzeiten bei der Arbeitslosenversicherung können zu einer Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, zu einem geringeren Arbeitslosenentgelt und in besonderen Einzelfällen auch dazu führen, dass kein Anspruch auf Arbeitslosengeld entsteht. Über die Möglichkeit der freiwilligen Beitragszahlung zur Rentenversicherung und die Folgen von Lücken in der Pflichtversicherung für den späteren Rentenanspruch sollte man sich möglichst umgehend individuell vom Rentenver-sicherungsträger beraten lassen, um spätere Nachteile in der Alterssicherung zu vermeiden.

Kosten für eventuell notwendige Medikamente
Eventuell werden nach der Lebendspende zusätzliche Medikamente, auch auf Grund eventueller Komplikationen, benötigt. Wer übernimmt? Auch hier gilt, können Sie keinen kausalen Zusammenhang mit der notwendigen Medikamenteneinnahme und der Lebendspende nachweisen, müssen alle gesetzlich vorgeschriebenen Zuzahlungen und Eigenanteile für Medikamente vom Lebendspender übernommen werden.

Die gesetzliche Unfallversicherung beim Eintreten von Komplikationen während und/oder nach der Lebendspende
Immer wieder wird von den Transplantationszentren darauf hingewiesen, dass man bei Eintreten von Komplikationen ja bei der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist. Als Spender eines Lebendorgans ist man tatsächlich kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Dies hat die Folge, dass bei Komplikationen, die die Folge einer Organspende sind, grundsätzlich die gesetzliche Unfallversicherung und damit nicht mehr die Krankenversicherung zuständig ist. Gleiches gilt auch bei Wegeunfällen im Zusammenhang mit der Spende. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Krankenhaus (Transplantationszentrum), in dem die Entnahme erfolgt.
Auch hier wird wieder das große Problem, vor allem bei Spätkomplikationen, sein, dass man mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen kausalen Zusammenhang der Komplikationen mit der Lebendspende nachweisen kann. Kann man das nicht, ist die Unfallversicherung nicht zur Leistung verpflichtet und wird sie auch nicht erbringen. Ist die gesetzliche Unfallversicherung jedoch eintrittspflichtig, haben Sie einen Anspruch auf Heilbehandlung. Wie in der gesetzlichen Krankenkasse umfasst diese beispielsweise eine stationäre oder ambulante ärztliche Behandlung sowie die Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln. Diese Versorgung erfolgt durch die gesetzliche Unfallversicherung zuzahlungsfrei, also ohne Praxisgebühr oder Eigenanteil.

Berufliche und soziale Rehabilitationsmaßnahmen Sollten Sie infolge einer durch die Lebendspende entstehenden Komplikation erkrankt sein, erhalten Sie von der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn des erforderlich ist, auch Leistungen, die zum Ziel haben, Sie in die Lage zu versetzen, die Aufgaben des täglichen Lebens zu bewältigen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen bzw. wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Solche Leistungen werden von der gesetzlichen Krankenversicherung in diesem Umfang nicht erbracht.

Verletztengeld für die Dauer der Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit Das Verletztengeld, das die gesetzliche Unfallversicherung zahlt, wird anders berechnet als das Krankengeld der gesetzlichen Krankenkasse. Es ist tendenziell etwas höher als das Krankengeld. Begrenzt wird das Verletztengeld nicht durch die Beitragsbemessungsgrenze (wie das Krankengeld), sondern durch den deutlich höheren Höchstjahresarbeitsverdienst.
Verletztenrente im Fall der Minderung oder des Wegfalls der Erwerbsfähigkeit. Bleibt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in „rentenberechtigter„ Höhe (ab 20 %) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus bestehen, wird eine (Verletzten-)Rente gewährt. Was bedeutet das aber nun alles für einen Lebend-Organspender, und wie sollte man sich verhalten? Als wichtigsten Ratschlag muss man mit auf den Weg geben: Klären Sie alles schriftlich im Vorfeld der Spende!
Informieren Sie Ihren Arbeitgeber rechtzeitig über die geplante Spende und den voraussichtlichen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit. Besprechen Sie auch die Konsequenzen bzw. Möglichkeiten, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf Grund von Komplikationen länger andauern sollte. Sollte es zu Komplikationen kommen, informieren Sie sofort, möglichst schriftlich, die Unfallversicherung. Klären Sie mit der Krankenkasse des Empfängers alle Details der Kostenübernahme und lassen Sie sich das schriftlich geben.

Wenden Sie sich bei Problemen auch an die o. g. Adressen, die Ihnen mit Informationen weiterhelfen. 
Alle hier gemachten Angaben beziehen sich auch ausschließlich auf gesetzlich versicherte Patienten. Privat versicherte Patienten sollten aber ebenfalls im Vorfeld der Spende mit ihrer Krankenversicherung sprechen und sich alle möglichen Kostenübernahmen schriftlich bestätigen lassen.